Dieser Beitrag erschien in der Tacheles Ausgabe 13.
Wir von der FAU Aachen sind eine kleine Gewerkschaft, die sich für die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer*innen einsetzt. Dabei profitieren unsere Mitglieder von einer aktiven Gemeinschaft, in der sie sich gegenseitig unterstützen und Solidarität erfahren. Zu unseren Tätigkeiten gehören derzeit Erstberatungen und die Begleitung vor Gericht. Das dazu notwendige Wissen haben wir uns selbst angeeignet und geben es bei internen Bildungen an neue Mitglieder weiter. Zusätzlich versuchen wir, durch das Gründen von Betriebsgruppen die Arbeitsbedingungen über die derzeitigen Standards zu verbessern. Das bedeutet konkret, dass wir für einzelne Betriebe beispielsweise Haustarifverträge abschließen, indem wir genügend Mitglieder dort haben, um unsere Forderungen durchzusetzen.
Vernetzung
Die Freie Arbeiter*innen Union organisiert sich deutschlandweit und ist darüber hinaus auch mit Gewerkschaften in anderen Ländern vernetzt. Innerhalb Deutschlands gibt es verschiedene Formen der gegenseitigen Hilfe, beispielsweise bei der Unterstützung im Arbeitsrecht oder während der jährlichen Sommerschule, die Seminare zu verschiedensten Themen im Gewerkschaftskontext anbietet.
Anspruch
Wir sind eine Gewerkschaft mit dem Anspruch, die Gesellschaft zu verändern. Doch unsere alltägliche Praxis ist nicht vom großen Spektakel begleitet – Holger Marcks, ein zeitgenössischer Theoretiker, der sich unter anderem mit dem Syndikalismus beschäftigt, bezeichnet die Revolutionstheorie der Syndikalist*innen und damit der FAU „als das Langweiligste der Welt“. Diese besteht vor allem aus den Kämpfen im Betrieb, dem Aufbau revolutionärer Gewerkschaften und der gegenseitigen Hilfe – welche wir derzeit durch das Einfordern von Arbeitsrecht praktizieren. Nach 50 Jahren Neoliberalismus steht es um die meisten Gewerkschaften schlecht, daher müssen wir in müßiger Kleinstarbeit diese notwendige, langweilige Arbeit verrichten. So schaffen wir eine Basis, um die Arbeitgeber*innen wieder unter Druck setzen zu können.
Beispiele/Konflikte
Unsere Praxis besteht zum großen Teil aus dem Einreichen von Klagen, welche in einigen Fällen von Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Dies hat beispielsweise in unserem Arbeitskonflikt mit den Cipresso Kiosks stattgefunden.
Einer der Chefs hatte versucht, unserer Genossin ohne jeglichen Grund zu kündigen. Dies bekam aber nicht so richtig hin, da er sie nur aus der WhatsApp-Gruppe entfernte und ihr keine Schichten mehr zuteilte. Über Monate bauten wir Druck auf, begleitet von Wandzeitungen, einer Kundgebung vor seinem Hauptkiosk und anderen Eskalationsmethoden. Das Ergebnis: circa 3.600€ Lohnnachzahlung, die wir vor Gericht mit unserer Genossin erkämpft haben.
Ein weiterer Rechtsstreit, der nun ausgetragen wird, ist der gegen den Inhaber des „Eismännchen“-Eiswagens. Nachdem unser Mitglied beleidigt wurde und Hausverbot erteilt bekam, schaffte der Chef es auch hier nicht, rechtlich bindend zu kündigen. So blieb uns nichts anderes übrig, als eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Der Inhaber verschleppt diesen Prozess mittlerweile seit über einem halben Jahr – und verzehnfachte so den ausstehenden Lohn. Da wir uns vor Gericht selbst vertreten, entstehen für uns keine Anwaltskosten.
Andere Tätigkeiten
Um unter anderem unsere Neumitglieder auf herausfordernde Situationen vor Gericht vorzubereiten, treffen wir uns zu wöchentlichen Arbeitstreffen. Hier werden auch die Klagen und Eskalationsstrategien vorbereitet.
Da wir uns im Zweifelsfall aber auch stark aufeinander verlassen müssen, ist es wichtig, dass wir uns gut kennen und verstehen. Monatlich veranstalteten wir daher gemeinsame Kochabende mit Filmvorführung und planen, in den nächsten Wochen mit einem regelmäßigen Kneipenabend zu starten. So entstehen durch die gemeinsame Arbeit in Verbindung mit Freizeitangeboten auch Freundschaften, ein solidarisches Miteinander und außerdem machen wir die Revolution etwas weniger langweilig.
Unsere Erfahrungen im Arbeitskonflikt zeigen uns: Die anscheinend so mächtigen Arbeitgeber*innen haben oft genug keine Ahnung und es lohnt sich ihnen die Stirn zu bieten.
Also, wenn ihr euch auf der Arbeit unfair behandelt fühlt, kommt zu uns und organisiert euch!